Bergab laufen kann unglaublich effizient und flüssig sein – oder schmerzhaft für Knie und Quadrizeps. In meinen Jahren auf Schweizer Trails habe ich gelernt, dass viele Schmerzen nicht einfach "Schicksal" sind, sondern mit Technik, Kraft und der richtigen Dosierung des Trainings deutlich reduziert werden können. In diesem Artikel teile ich konkrete Übungen, Technik-Hinweise und Trainingsideen, die mir persönlich geholfen haben, bergab entspannter, sicherer und vor allem schmerzfreier zu laufen.

Warum tut das Knie oder der Quadrizeps beim Bergablaufen weh?

Bevor wir ins Training einsteigen: Ein kurzer Blick auf die Gründe. Schmerzen beim Bergablaufen entstehen oft durch eine Kombination aus exzentrischer Belastung (die Muskulatur muss beim Bremsen arbeiten), falscher Lauftechnik und muskulären Schwächen oder Ungleichgewichten. Häufige Ursachen:

  • Überlastung durch zu viele Höhenmeter in kurzer Zeit.
  • Schwacher Quadrizeps oder fehlende exzentrische Kontrolle.
  • Zu steile Haltung oder zu weit nach vorne/ hinten verlagertes Körpergewicht.
  • Mangelnde Fuß- und Knie-Stabilität, z. B. schwacher Gluteus medius.
  • Diese Faktoren führen zu einer übermässigen Belastung der Kniegelenke und einem ständigen "Abbremsen" mit dem Quadrizeps. Das Ziel ist deshalb: weniger Bremsen, mehr gezielte Kontrolle und angepasste Kräfte.

    Technik: Kleine Anpassungen mit grosser Wirkung

    Technik ist oft der schnellste Weg, um Schmerzen zu reduzieren. Hier meine wichtigsten Punkte, die ich auf jeder Abfahrt kontrolliere:

  • Locker bleiben: Arme leicht vor dem Körper, Schultern entspannt. Verspannung oben überträgt sich nach unten.
  • Leicht nach vorne geneigter Oberkörper: Nicht steif hinten raus oder zu weit nach vorn gestürzt, sondern eine leichte Vorneigung aus Hüfte (Hüfte über Füssen).
  • Kürzere, schnellere Schritte: Lange, gestreckte Schritte bremsen stärker. Kürzere Schritte reduzieren die exzentrische Belastung.
  • Aktives Blickfeld: Nicht nur auf die Füsse starren – ein Blick 5–10 Meter voraus hilft, Linien zu wählen und ruckartige Bremsungen zu vermeiden.
  • Fussaufsatz: Neutral bis leicht mittelfussbetont. Starkes Fersenaufsatz führt zu hartem Aufprall; reines Vorfusslaufen kostet Energie.
  • Gleichmässiges Tempo: Anstatt bergab zu "rasen" und dann bremsen, versuche eine kontrollierte, gleichmässige Geschwindigkeit.
  • Konkrete Übungen für Quadrizeps und exzentrische Kontrolle

    Exzentrische Kraft ist der Schlüssel. Ich setze in Trainingsblöcken gezielt auf folgende Übungen – 2–3x pro Woche, kombiniert mit Technikläufen.

    Übung Wiederholungen/Sätze Wichtig
    Einbeinige exzentrische Kniebeuge (auf Treppe) 3 Sätze × 6–8 pro Bein Langsam absinken (3–4s), kontrolliert hochdrücken
    Nordic Hamstring (falls machbar) 3 Sätze × 4–6 Starke exzentrische Kontrolle; alternative: exzentrische Bein-Curls
    Step-downs (von 15–20cm) 3×8–10 pro Bein Fokus auf langsames, kontrolliertes Absenken
    Bulgarian Split Squat 3×8–10 pro Bein Rumpf gerade, tiefer Stand für mehr Quadrizeps-Last
    Seitlicher Bandwalk / Clamshell 3×20 Schritte / 3×15 Für Hüftstabilität (Gluteus medius)

    Diese Übungen trainieren sowohl die Kraft als auch die Fähigkeit, Muskelspannung beim Verlängern (exzentrisch) zu kontrollieren. Besonders effektiv sind die einbeinigen, langsamen Varianten – sie simulieren die Belastung beim Bergablaufen.

    Technikdrills auf dem Trail

    Auf dem Trail kannst du deine Technik gezielt trainieren ohne hohe Kilometerzahlen zu machen. Meine Lieblingsdrills:

  • Kontrollierte Abfahrt-Intervals: Wähle eine 200–400m lange Abfahrt mit moderater Steigung. 6–8 Wiederholungen, bewusst kurze Schritte, Fokus Blick und Hüftneigung. Jogge flach zurück zur Startposition als Erholung.
  • Stepped Descent: Suche Stufen/Treppen und übe bewusstes landendes Fuss-Muster, halte die Knie leicht gebeugt und kontrolliere das Absinken (exzentrisch).
  • Tempo-Change Drill: Auf einer Abfahrt 20s schnell, 40s kontrolliert traben; lehrt dich, Geschwindigkeit variabel zu halten ohne heftig zu bremsen.
  • Wieviel Bergab-Training ist sinnvoll?

    Dosierung ist entscheidend. Ich habe die Erfahrung gemacht: Lieber kurze, häufige Reize als ein oder zwei sehr lange, schmerzhafte Sessions.

  • Einsteiger: 1 Abfahrt-Session pro Woche, 10–20 Minuten reiner Abfahrt-Drill.
  • Fortgeschrittene: 2 Sessions pro Woche, davon eine intensiver (Intervals), eine Technik- oder Kraftfokus.
  • Vor Rennen mit viel Höhenmeter: 3 Wochen vor dem Event das Volumen moderat erhöhen, 1 Woche vorher reduzieren.
  • Rollers, Kompression und Recovery

    Nach harten Abfahrtseinheiten setze ich auf aktive Erholung:

  • Foam rolling für Quadrizeps (leicht, nicht schmerzhaft)
  • Kurze, lockere Läufe am nächsten Tag, 20–40 Minuten
  • Compression Socks (z. B. CEP/Compressport) helfen manchen Läufern, die Schwellung zu reduzieren
  • Kälte nach Bedarf: 10–15 Minuten Eis oder kaltes Wasser zur Entzündungsreduktion
  • Ausrüstungstipps

    Die richtige Ausrüstung kann helfen, Stöße zu dämpfen und Stabilität zu bieten:

  • Trail-Schuhe mit gutem Grip und moderater Dämpfung: Modelle wie Salomon Speedcross, Hoka Speedgoat oder La Sportiva Bushido haben alle unterschiedliche Eigenschaften. Wichtig ist, dass du dich stabil fühlst und genügend Dämpfung für deine Vorlieben hast.
  • Leichte Stöcke: Für sehr steile, lange Abstiege können Stöcke die Belastung der Knie deutlich reduzieren. Ich nutze sie selten auf kurzen Abfahrten, aber auf langen technischen Downhills sind sie Gold wert.
  • Wann zum Profi?

    Wenn Schmerzen trotz Technikarbeit und Krafttraining über Wochen anhalten, starke Schwellungen oder Bewegungseinschränkungen auftreten, dann abklären lassen. Physiotherapie mit Fokus auf exzentrischer Arbeit und Bewegungsanalyse kann sehr hilfreich sein.

    Abschliessend: Bergablaufen lernen ist ein Prozess. Mit gezielten Technikdrills, stabilisierender Kraftarbeit und einer klugen Dosierung der Reize kannst du die Belastung für Knie und Quadrizeps deutlich senken. Probier die Übungen in kleinen Schritten aus, höre auf deinen Körper und baue die Intensität progressiv auf. Auf den Trails ist weniger oft mehr – vor allem, wenn es um nachhaltige, schmerzfreie Kilometer geht.