Eine mehrtägige Tour in den Schweizer Alpen ganz ohne GPS zu planen ist für mich ein bewusstes, bereicherndes Abenteuer — aber es verlangt sorgfältige Vorbereitung. Ich erzähle dir hier, wie ich Routen wähle, Wasser manage und mit Respekt gegenüber der Natur und anderen Bergnutzern unterwegs bin. Alles basiert auf eigener Erfahrung und dem, was sich in praktischen Situationen bewährt hat.

Routenwahl: realistisch, sicher und abwechslungsreich

Bei der Auswahl der Strecke beginne ich immer mit gedruckten Karten (swisstopo 1:50'000 oder 1:25'000) und Führerliteratur. Online-Planer wie die Touring- oder Hüttenverzeichnisse der SAC sind super, aber auf Tour verlasse ich mich auf Papierkarten und Höhenprofile. Wichtig für mich:

  • Distanz und Höhenmeter realistisch einschätzen – in den Alpen kommen 1'000 Höhenmeter oftmals langsamer vor als erwartet.
  • Alternativrouten und Ausstiegsstellen notieren – für Schlechtwetter oder Verletzungen.
  • Hütten und Wasserquellen auf der Karte markieren, mit Etappen, die zu meinen Konditions- und Zeitressourcen passen.
  • Auf Markierungen achten: Viele Alpenwege sind rot-weiss oder weiss-rot-weiss, alpine Wege sind oft weiss-blau-weiss und brauchen Trittsicherheit.
  • Ich plane Etappen so, dass Tageslicht, Wetterfenster und Reservetage berücksichtigt sind. Lieber eine kürzere Etappe einplanen als an einem zweiten Tag zu sehr unter Zeitdruck zu geraten.

    Navigationsmittel ohne GPS

    GPS ist praktisch, aber ohne GPS unterwegs zu sein stärkt die Kartenlese-Fähigkeiten. Meine minimale Navigation-Ausrüstung:

  • swisstopo-Karte im Massstab 1:25'000 (wasserfest eingepackt)
  • guter Kompass (z. B. Silva oder Suunto) und Wissen, wie man ihn benutzt
  • Höhenmesser/Barometer-Uhr (Suunto Core oder ähnliche) zur Geländeeinschätzung
  • Stift und Notizblock mit eingetragenen Passhöhen, Wegkreuzungen und Zeiten
  • Markierungen mit Bleistift auf der Karte, Kurslineal oder Transparentlineal
  • Ich trainiere vorher einfache Techniken: Peilung nehmen, Höhenlinien lesen, die Zeit-Distanz-Methode (wie schnell man in diesem Gelände tatsächlich vorankommt). Bei Nebel oder schlechter Sicht halte ich mich an Geländemerkmale (Grate, Scharten, Bäche) statt an vermeintliche Abkürzungen.

    Wasser: Versorgung, Aufbereitung und Reserve

    Wasser ist eine der kritischsten Planungsfragen. In den Schweizer Alpen gibt es viele Quellen, aber nicht alle sind zuverlässig oder sicher. So gehe ich vor:

  • Quellen und Bäche auf der Karte markieren; Hütten und alpine Trinkwasserbrunnen einbeziehen.
  • Mindestens 1.5–2 Liter Tagesreserve pro Person einplanen plus Reserve für Notfälle (bei Hitze oder hohem Energieaufwand mehr).
  • Filter vs. Tabletten: Ich nutze einen feinen Inline-Filter (z. B. Sawyer Squeeze) für klare Flüsse, dazu Micropur-Tabletten als Backup für trübe Wasserstellen. Filtersysteme sind praktisch und schnell, Tabletten sind leicht und platzsparend.
  • Wasser aufbereiten bevor du müde oder kalt wirst — ich mache das lieber früh am Tag oder beim Stop, nicht am Abend, wenn die Motivation sinkt.
  • Wenn keine verlässliche Quelle eingezeichnet ist, plane eine Etappe so, dass Hütten oder Alpgebäude Wasser bieten.
  • Ausrüstung & Verpflegung

    Gewicht spielt eine Rolle, aber Sicherheit steht vor Minimalismus. Meine unumgänglichen Dinge:

  • Wetterfeste, leichte Hülle (z. B. Hilleberg- oder MSR-Zelt) oder Informationsabgleich mit Hüttentouren
  • Warme Schicht, Regenjacke, Wechselkleidung
  • Kocher und Brennstoff (MSR PocketRocket) oder kalorienreiche Trockenverpflegung
  • Notfall-Set: Erste Hilfe, Biwaksack, Stirnlampe, Feuerzeug, Signalpfeife
  • Handkarte, Kompass, Höhenmesser
  • Bei der Verpflegung bevorzuge ich energiereiche, leicht zuzubereitende Mahlzeiten: Dehydrierte Mahlzeiten, Nussmischungen, Energieriegel, Haferflocken. Ich plane pro Tag eher mehr Kalorien ein als weniger — das spart schlechte Laune bei steilen Passagen.

    Sicherheit, Wetter und Notfallplanung

    Wetter ist in den Alpen launisch. Ich prüfe MeteoSwiss und lasse einen Reservezettel bei Verantwortlichen da (Freunde, Hütte, Talstation), mit groben Wegdaten und Rückkehrdatum. Weitere Punkte:

  • Risikoabschätzung für Steinschlag, Lawinen (im Frühling/Herbst) und Gewitter – Gipfelpassagen bei Gewitter vermeiden.
  • Einen Rückzugsplan haben: wann ich Umkehr beschliesse (Zeit, Sicht, Wetterverschlechterung, Teamstatus).
  • Notruf: In der Schweiz 144 (Rettungsdienst) oder 118 (Bergrettung) – ich habe die Nummern und grobe Positionsangaben (Talort, nächster Pass) notiert.
  • Respekt gegenüber Natur & anderen Bergnutzern (Outgoing-Respect)

    Für mich ist Rücksichtnahme auf der Strecke elementar. Das bedeutet konkret:

  • Leave No Trace: Alles, was ich mitbringe, nehme ich wieder mit — Verpackungen, Hygieneartikel, etc.
  • Weidegebiete respektieren: Herdenschutzzonen meiden, Kühe/Hirten nicht provozieren, Abstand halten.
  • Lautstärke reduzieren, besonders in der Nähe von Hütten oder geschützten Bachtälern.
  • Trampelpfade vermeiden: Bleibe auf markierten Wegen, um Erosion zu verhindern.
  • Hüttenregeln respektieren: Zeiten, Reservierungen, Müllentsorgung und Wasserverbrauch beachten.
  • Gruppengrösse, Tempo und mentale Vorbereitung

    Ich bevorzuge kleine Gruppen (2–4 Personen). So bleibt die Entscheidungsfindung klar und die Geschwindigkeit stimmt besser überein. Wichtige Regeln:

  • Tempo an die schwächste Person anpassen – das reduziert Stress und Unfallrisiko.
  • Regelmässige Pausen einplanen, um Trink- und Essrhythmus einzuhalten.
  • Mentale Flexibilität: Pläne können sich ändern, das gehört zur Tour.
  • Praktische Checkliste (Kurzüberblick)

    Navigationswisstopo-Karte, Kompass, Höhenmesser, Notizblock
    Wasser1.5–2L Reserve, Filter (Sawyer/Katadyn) + Tabletten
    NotfallErste Hilfe, Biwaksack, Signalpfeife, Stirnlampe
    AusrüstungZelt/Schlafsack, Kocher, warme Schichten, Regenjacke
    KommunikationNotfallnummern, Sendeplan bei Kontaktabbruch

    Beim Abschluss meiner Planung markiere ich die kritischen Abschnitte besonders deutlich auf der Karte (Seilpassagen, einsame Grate, lange Abstiege). Wenn ich diese Regeln befolge, fühlt sich eine GPS-freie Mehrtages-Tour in den Schweizer Alpen nicht nur möglich an, sondern sehr lohnend: Man läuft mit mehr Achtsamkeit, nimmt Landschaften intensiver wahr und gewinnt Vertrauen in traditionelle Navigationstechniken.